Show/Hide Menu
Hide/Show Apps
Logout
Türkçe
Türkçe
Search
Search
Login
Login
OpenMETU
OpenMETU
About
About
Open Science Policy
Open Science Policy
Open Access Guideline
Open Access Guideline
Postgraduate Thesis Guideline
Postgraduate Thesis Guideline
Communities & Collections
Communities & Collections
Help
Help
Frequently Asked Questions
Frequently Asked Questions
Guides
Guides
Thesis submission
Thesis submission
MS without thesis term project submission
MS without thesis term project submission
Publication submission with DOI
Publication submission with DOI
Publication submission
Publication submission
Supporting Information
Supporting Information
General Information
General Information
Copyright, Embargo and License
Copyright, Embargo and License
Contact us
Contact us
Deutsch als Fremdsprache in der Türkei - eine aktuelle Bestandsaufnahme
Date
2020-02-01
Author
Karbi, Gamze
Metadata
Show full item record
This work is licensed under a
Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License
.
Item Usage Stats
1191
views
0
downloads
Cite This
Deutsch als Fremdsprache in der Türkei – eine aktuelle Bestandsaufnahme Gamze Karbi (Ankara, Türkei) 1 Türkisch-Deutsche Beziehungen und die Anfänge des Deutschunterrichts 2023 wird die Türkische Republik 100 Jahre alt. Schon vor der Gründung der Türkischen Republik existierten zwischen dem Osmanischen Reich und dem Deutschen Reich militärische, politische, wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen. Im Ersten Weltkrieg waren beide Staaten Verbündete und nach Kriegsende gehörten sie zu den Verlierern. Aufgrund geschichtlicher Hintergründe, aber auch durch die heutigen wirtschaftlichen, gesellschaftspolitischen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen hat Deutsch als Fremdsprache in der Türkei eine lange Tradition und einen besonderen Stellenwert (Akdoğan 2003: 46). Französisch war im 19. Jahrhundert die vorherrschende europäische Fremdsprache im Osmanischen Reich. Durch den Bedarf an qualifizierten Dolmetschern1, die sowohl für diplomatische, als auch für wirtschaftliche Beziehungen eingesetzt werden sollten, wurde im Jahr 1864 eine Sprachschule gegründet, die anfangs Dolmetscher für Französisch, Rumänisch und Bulgarisch ausbildete und an der per Befehl von Sultan Abdülhamid II. ab 1892 auch Englisch, Russisch und Deutsch angeboten wurden (Genç 2003: 20). Deutsch wurde ab dem Ende des 19. Jahrhunderts nur an wenigen Schulen unterrichtet. An dieser Stelle sind die Deutsche Schule (Gründung 1868) und das österreichische St. Georgs-Gymnasium (Gründung 1889) zu nennen; hier handelte es sich anfangs um Deutsch als Mutterspra- SHAPE \* MERGEFORMAT 1 Maskuline Personenbezeichnungen werden im ganzen Beitrag im generischen Sinne verwendet und beziehen sich sowohl auf weibliche als auch auf männliche Personen. che (Ammon 2015: 1020). Diese Schulen wurden von Eltern aus der deutschsprachigen Kolonie am Bosporus, sogenannten Bosporusdeutschen, gegründet (Münch 2014: 127). Damals besuchten überwiegend Kinder deutscher Familien diese deutschsprachigen Schulen. Laut Informationen über das gegenwärtige Schulprofil der Deutschen Schule Istanbul besitzen heute 80 % der Schülerschaft die türkische Staatsangehörigkeit (vgl. Deutsche Schule Istanbul, Schulportrait). Nach dem Ersten Weltkrieg existierte das Osmanische Reich nicht mehr. Die Türkische Republik wurde 1923 gegründet und ab Mitte der 1920er Jahre wurden Reformen in allen Bereichen durchgeführt, auch im Bildungswesen (Ortaylı 2011: 56). Der Präsident Mustafa Kemal Atatürk, Vater der Türken, legte großen Wert auf die Modernisierung des Landes und auf seine Einladung kamen deutsche Wissenschaftler, Ärzte, Künstler und Architekten in die Türkei (vgl. Mangold-Will 2014). Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass von 1933 bis 1945 rund 800 deutschsprachige Exilanten in die Türkei kamen, darunter zahlreiche Hochschullehrer, Wissenschaftler und ihre Mitarbeiter, aber auch Handwerker und Menschen mit kleinen Geschäften. Sie waren vor dem Nationalsozialismus geflohen und fanden Zuflucht in der damals jungen Türkischen Republik (Türkei-Jahrbuch 1998: 83). Sie hinterließen ihre Spuren in den verschiedenen Bereichen und leisteten einen wichtigen Beitrag bei der Neugestaltung der türkischen Universitäten. Wenn man die deutsch-türkischen Beziehungen untersucht, dann stellt man fest, dass das am 30. Oktober 1961 unterzeichnete Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei einen Wendepunkt darstellt. Beide Seiten wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, welche weitreichenden Folgen dies für das Leben der Gastarbeiter und welche Veränderungen das Anwerbeabkommen für die deutsche Gesellschaft und Politik mit sich bringen würde. Die Anwerbung war ausschließlich für Unverheiratete vorgesehen und auf zwei Jahre befristet. Ein Familiennachzug war verboten. In den folgenden Jahren änderte sich diese Situation und Ehepartner und Kinder der Gastarbeiter kamen auch nach Deutschland. 1983 wurden mit einem Beschluss der Bundesregierung Rückkehrprämien an Ausländer gezahlt; etwa 120.000 Türken kehrten in die Türkei zurück (Seifert 2001: 57). Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten im Jahr 2017 1,48 Millionen türkische Staatsbürger in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2017). Diese Zahl erhöht sich auf 2,86 Millionen Menschen, wenn die in Deutschland lebenden türkischstämmigen Menschen mit deutschem Pass einberechnet werden (vgl. ebd.). Die Migration erfolgt aber auch in die andere Richtung; zu erwähnen ist die Abwanderung von Deutschland in die Türkei; jährlich wandern 14.000 bis 17.000 türkische Staatsangehörige in die Türkei ab (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2014). Diese Wanderungsbewegungen haben Auswirkungen auf den fremdsprachlichen Deutschunterricht. Für die Kinder der türkischen Familien, die insbesondere in den 80er Jahren in die Türkei zurückgekehrt waren, die sogenannten Rückkehrer, wurden vermehrt Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache benötigt. Die Anadolu-Gymnasien hatten wegen ihrer fremdsprachlichen Ausrichtung ein hohes Ansehen und sollten Rückkehrerkindern die Reintegration ermöglichen. Parallel dazu stieg auch die Nachfrage für die Studiengänge Germanistik und Deutschlehrerausbildung. Hinsichtlich der deutsch-türkischen Beziehungen sind die Wirtschaftsbeziehungen von großer Bedeutung. Betrachtet man die Handelspartner von Deutschland im Jahr 2017, stellt man fest, dass die Türkei auf Rang 16 von insgesamt 239 Handelspartnern steht (Statistisches Bundesamt 2018). Die Handelsbeziehungen zwischen der Türkei und Deutschland erfordern gute Deutschkenntnisse. Zu erwähnen ist auch, dass die Türkei für viele Deutsche ein beliebtes Reiseland ist. Den Zahlen des türkischen Tourismusministeriums zufolge kamen allein im Juni 2018 452.000 deutsche Gäste in die Türkei, das sind 18 % mehr, als im Jahr 2017. Mehr als 4,5 Millionen deutsche Touristen besuchten die Türkei im Jahr 2018 (Tourismusministerium der Türkischen Republik 2018). Die Ausbildung von Fachkräften für die Tourismusbranche erfolgt an Berufsgymnasien für Tourismus (Anadolu Otelcilik ve Turizm Meslek Lisesi) und an Hochschulen in Studiengängen wie z.B. Tourismusmanagement2. Sowohl am Berufsgymnasium als auch in den Studiengängen, die Tourismus-Fachkräfte ausbilden, spielt der Fremdsprachenunterricht eine wichtige Rolle. Als zweite Fremdsprache nach Englisch wird an diesen Schulen Deutsch, Russisch und Französisch unterrichtet. 2 Deutschunterricht an Schulen In der Türkei existieren verschiedene Schultypen mit jeweils unterschiedlichen Lernangeboten: staatliche Schulen, Privatschulen und Stiftungsschulen. Eine kleine Gruppe bilden die Minderheitenschulen, dazu können die armenische, jüdische und griechische Schule, die alle in Istanbul sind, gezählt werden; hinzu kommen die Botschaftsschulen. Nach Angaben einer Schulstatistik, die im Jahr 2018 vom Erziehungsministerium veröffentlicht wurde, besuchen 14.684.664 Schüler staatliche Schulen und 1.204.963 Schüler Privatschulen (Milli Eğitim İstatistikleri Örgün Eğitim 2018: 129). 2016 bis 2017 wurden in der Türkei 1.777 neue Privatschulen gegründet (Milli Eğitim Bakanlığı Özel Öğretim Kurumları Genel Müdürlüğü 2017: 1). An diesen Zahlen kann man erkennen, dass Privatschulen in der Türkei zwar keinen herausragenden Platz in der Schullandschaft einnehmen, die Nachfrage jedoch steigt. Der Fremdsprachenunterricht in der Türkei wurde in den letzten Jahren maßgeblich durch zwei Entwicklungen beeinflusst. Mit dem Schulreformgesetz im Jahr 1997 wurde die Schulpflicht auf acht Jahre verlängert, dadurch konnte die erste Fremdsprache bereits im Primarbereich und eine weitere Fremdsprache in den höheren Schulstufen eingeführt werden (Akdogan 2003: 46). Ab 2012 wurde die Schulpflicht auf 12 Jahre erhöht und das Schulsystem geändert (Gündoğar; SHAPE \* MERGEFORMAT 2 Dieser Studiengang wird an zahlreichen Universitäten angeboten, an dieser Stelle sollen nur einige davon aufgezählt werden; Anadolu Universität, Marmara Universität, Bilkent Universität, Istanbul Universität, Akdeniz Universität. Sayınsoy Özünal 2018: 172). Demnach sieht die Aufteilung folgendermaßen aus: Grundschule (1.-4. Klasse), Mittelstufe (5.-8. Klasse) und Oberstufe (9.-12. Klasse). Die erste Fremdsprache setzt bereits ab der 2. Klasse mit zwei Unterrichtseinheiten pro Woche und ab der Mittelstufe mit vier Wochenstunden obligatorisch ein (Çetintaş; Genç 2016: 1684). Die erste Fremdsprache an türkischen Schulen ist in der Regel Englisch, eine Ausnahme bilden türkeiweit ca. 40 Anadolu-Schulen (Anadolu Lisesi) mit Deutsch als erster Fremdsprache (z.B. Bornova Anadolu Lisesi, Cağaloğlu Anadolu Lisesi), einige Privatschulen (z.B. TAKEV, ALEV, IELEV) sowie die Deutschen Auslandsschulen (z.B. die Ernst Reuter Schule Ankara, die Deutsche Schule Istanbul). Jahrelang war Französisch die erste Fremdsprache in der Türkei, später die meistgelernte Fremdsprache nach Englisch. In den letzten zehn Jahren hat sich diese Situation geändert. Das Angebot der zweiten Fremdsprache als Pflichtfach und als Wahlfach umfasst die Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Japanisch, Chinesisch oder Russisch (Uzuntaş 2013: 514). In Bezug auf die Lernerzahlen hat sich die deutsche Sprache als zweite Fremdsprache etabliert (Polat; Tapan 2005: 1). Nach dem Schulreformgesetz im Jahr 2012 ist ab der 9. Klasse die zweite Fremdsprache Wahlpflichtfach. Seitdem ist der Deutschunterricht im Aufwind, dies zeigt sich an der dynamischen Entwicklung was die Zahl der Deutschlernenden im Schulbereich betrifft (für 1985-2010: Ammon 2015: 1021; für 2015: DAAD-Bildungssystemanalyse 2017: 31). Tabelle 1: Zahl der Deutschlernenden über die Jahre 1985-2015. 1985 1995 2000 2005 2010 2015 DaF- Lernende an türkischen Schulen 280.000 80.000 225.000 260.000 309.069 450.000 An dieser Stelle sollen Schulen, an denen die deutsche Sprache einen besonders hohen Stellenwert hat, hervorgehoben werden. In der Türkei gibt es 17 Schulen3, die von Deutschland unterstützt werden, indem ein Fachberater der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) und Lehrkräfte aus Deutschland entsandt werden4. Die Schüler an diesen Schulen haben die Möglichkeit, die Prüfung für das Deutsche Sprachdiplom (DSD I oder DSD II) abzulegen. Den Deutschlehrkräften der Schulen werden regelmäßig Prüferschulungen und Fortbildungen angeboten. SHAPE \* MERGEFORMAT 3 Verteilung der von der ZfA geförderten Schulen nach Städten: Adana (eine Schule), Ankara (drei Schulen), Antalya (eine Schule), Istanbul (sieben Schulen), Izmir (vier Schulen) und Samsun (eine Schule). 4 Informationen bezüglich der DSD-Schulen in der Türkei wurden freundlicherweise von Frau Semra Budak, Fachberaterin für Deutsch im Auftrag der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, zur Verfügung gestellt. Seit zehn Jahren wird Deutsch an türkischen Schulen auch durch die PASCH-Initiative5 gefördert. Die sogenannten PASCH-Schulen werden vom GoetheInstitut mit dem Ziel betreut, die Deutsch- und Landeskundekenntnisse der Schüler und Lehrkräfte zu fördern (vgl. Goethe-Institut PASCH-Initiative). Durch Sprachcamps, Schulprojekte und Wettbewerbe, an denen sich die Schüler beteiligen, sollen sie ihre Deutschkenntnisse anwenden und erweitern können. Stipendien für einen Deutschlandaufenthalt helfen den Deutschlernenden, Deutschland und seine Kultur besser kennenzulernen. Deutschlehrkräfte bekommen mit einem PASCH-Stipendium die Möglichkeit, an Schulen in Deutschland zu hospitieren und an Lehrerfortbildungen zu methodisch-didaktischen Themen teilzunehmen. Die oben beschriebenen aktuellen schulischen Bedingungen ermöglichen es, von einer positiven zukunftsbezogenen Perspektive von Deutsch als Fremdsprache in der Türkei zu sprechen. Eine weitere Entwicklung innerhalb der türkischen Schullandschaft stellt die ansteigende Zahl der Imam Hatip Lisesi, Berufsfachgymnasien zur Ausbildung von Imamen (Vorbeter) und Hatip (Prediger), dar. In Bezug auf den schulischen Fremdsprachenunterricht ist kennzeichnend, dass an diesem Schultyp im Gegensatz zu anderen Schulen Deutsch als Fremdsprache nicht angeboten wird und der obligatorische Fremdsprachenunterricht in drei Kategorien gegliedert ist: Englisch, Arabisch und Arabisch für den Beruf; als Wahlfach wird an einigen Schulen Persisch angeboten (vgl. Anadolu Imam Hatip Lisesi Haftalık Ders Çizelgesi 2018/2019). Das bedeutet, dass die verbreitete Fremdsprachenkombination Englisch als erste Fremdsprache und Deutsch als zweite Fremdsprache an diesem Schultyp nicht vertreten ist. Die Zahl der Imam Hatip Lisesi ist in den letzten Jahren stark angestiegen, auch durch die Umwandlung von regulären Gymnasien (Lise) und Anadolu Lisesi in Imam Hatip Lisesi. In den letzten zwei Jahren ist ein Anstieg um 26,36 % zu vermerken; im Schuljahr 2017/2018 lag die Anzahl der Imam Hatip Lisesi bei 1452 (Milli Eğitim İstatistikleri Örgün Eğitim 2017/18). Die 645.000 Schüler dieses Schultyps stellen 11 % aller Gymnasiasten in der Türkei dar. Nicht nur ins schulische, sondern auch ins gesellschaftliche Leben hat die arabische Sprache mehr Zugang gefunden. Ein wichtiger Faktor ist dabei die Tatsache, dass in der Türkei heutzutage etwa vier Millionen syrische Flüchtlinge leben. Besonders in Provinzen, die an der 911 km langen Grenze zu Syrien liegen, aber auch in den Großstädten Istanbul, Ankara, Adana, Mersin und Gaziantep, hat die Zahl von Menschen mit Arabisch als Muttersprache stark zugenommen. SHAPE \* MERGEFORMAT 5 PASCH steht für die Initiative Schulen: Partner der Zukunft. 3 Deutsch an Universitäten An den türkischen Universitäten werden folgende drei Studiengänge im Kontext von Deutsch als Fremdsprache angeboten: Germanistik, Deutsche Sprache und ihre Didaktik (Deutsch als Fremdsprache auf Lehramt) und Übersetzungs- und Dolmetscherausbildung für Deutsch (vgl. YÖK6 Atlas 2019). Die Deutschlehrerausbildung ist eine Abteilung an den Erziehungswissenschaftlichen Fakultäten der Hochschulen. Im Zuge des Bologna-Prozesses wurde das Curriculum der Deutschlehrerausbildung im Jahre 2006 neu strukturiert. Das revidierte berufsqualifizierende Studienprogramm ermöglicht eine freiere Gestaltung der Lehrveranstaltungen, da das Angebot an Wahlfächern erweitert wurde. Bei dem Studiengang Deutsche Sprache und ihre Didaktik7 handelt es sich um ein vierjähriges Lehramtsstudium, bei dessen Abschluss die Absolventen eine Lehrbefähigung erhalten. Das Studium umfasst auch ein Praktikum, das den Studierenden den Erwerb von Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen in Bezug auf den Lehrerberuf ermöglichen soll. Im siebten Semester hospitieren die Studierenden an Schulen im Rahmen eines umfassenden Programms zur Unterrichtsbeobachtung und im achten Semester folgt das eigentliche Deutschfachpraktikum, bei dem die Studenten Unterricht beobachten und auch selbst unterrichten (vgl. Gündoğar; Sayınsoy Özünal 2018: 181). In den letzten Jahren hat sich das Profil der Studierenden dieses Studiengangs verändert. Während es sich bei den Studienbewerbern in den 80er und 90er Jahren hauptsächlich um junge Rückkehrer mit sehr guten Deutschkenntnissen handelte (Polat; Tapan 2005: 4), haben heutzutage viele Studierende zu Studienbeginn zum Teil unzureichende Deutschkenntnisse. Dies ist auf die Zulassungsbedingungen für das Fach zurückzuführen, denn an manchen Hochschulen ist der Nachweis über Deutschkenntnisse nicht das entscheidende Kriterium, sondern die erreichte Punktzahl in der Aufnahmeprüfung für den Hochschulzugang8. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, ein Jahr lang eine Vorbereitungsklasse zu besuchen, um Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1/B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) zu erwerben; jedoch genügt diese einjährige sprachliche Vorbereitung auf das Fachstudium oftmals nicht. Hierbei spielt auch die Motivation SHAPE \* MERGEFORMAT 6 Yükseköğretim Kurulu (Hochschulrat). 7 Im Jahr 2018 wurde der Studiengang Deutsche Sprache und Didaktik an diesen 16 Universitäten angeboten: Anadolu Universität (Eskişehir), Atatürk Universität (Erzurum), Bursa Uludağ Universität (Bursa), Çukurova Universität (Adana), Dicle Universität (Diyarbakır), Dokuz Eylül Universität (Izmir), Gazi Universität (Ankara), Hacettepe Universität (Ankara), Hakkari Universität (Hakkari), Istanbul Universität-Cerrahpaşa (Istanbul), Marmara Universität (Istanbul), Muğla Sıtkı Koçman Universität (Muğla), Necmettin Erbakan Universität (Konya), Nevşehir Hacı Bektaş Veli Universität (Nevşehir), Ondokuz Mayıs Universität (Samsun), Trakya Universität (Edirne). 8 Hierbei handelt es sich um eine landesweite Hochschulzugangsprüfung, die von ÖSYM, der Zentrale für Bewertung, Auswahl und Platzierung, durchgeführt wird. der Lehramtsstudenten eine entscheidende Rolle. Nicht wenige der Studierenden, die sich für ein DaF-Studium entscheiden, tun dies, weil sie bei der Aufnahmeprüfung für den Hochschulzugang die erforderliche Punktzahl für die Englischlehrerausbildung nicht erreicht haben. Innerhalb der türkischen Hochschullandschaft kommt der TürkischDeutschen Universität (TDU), die 2014 offiziell eröffnet wurde, eine besondere Rolle zu. Die TDU verfügt über fünf Fakultäten und ein Fremdsprachenzentrum. Die Unterrichtssprache an der TDU ist Deutsch und die Studierenden müssen im Vorbereitungsjahr das Sprachniveau B2/C1 des GER erreichen (vgl. TDU Zentrum für Fremdsprachen). Deutsch als Fremdsprache wird auch von den Fremdsprachenzentren der anderen türkischen Hochschulen angeboten: als Intensivsprachunterricht in den Vorbereitungsklassen für das Fachstudium, wie z.B. Germanistik und Deutschlehrerausbildung mit dem Ziel, das Sprachniveau B1/B2 des GER zu erreichen, und als Wahlfach für Studierende verschiedener Fachrichtungen. Insbesondere Studenten der Ingenieurswissenschaften sind daran interessiert, neben guten Englischkenntnissen auch Deutschkenntnisse nachweisen zu können9. Hochqualifizierte türkische Studierende streben ein Masterstudium oder ein Praktikum in Deutschland an. Deutschland ist als Forschungsland auch bei türkischen Wissenschaftlern gefragt. Der DAAD ist in der Türkei mit zwei DAADInformationszentren in Istanbul und Ankara sowie mit insgesamt zehn Lektoraten und zwei Sprachassistenzen an Hochschulen10 vertreten. Der DAAD vergibt jährlich Stipendien für Sprachkurse, für ein Masterstudium, für eine Promotion und für Forschungsaufenthalte in Deutschland. Im Jahr 2017 förderte der DAAD im Austausch mit der Türkei 1347 Personen; 428 Personen erhielten ein Individualstipendium und 919 Stipendien wurden im Rahmen der Projektförderung vergeben (vgl. DAAD-Ländersachstand 2018: 11). 4 Deutschunterricht an Sprachschulen Im Bereich Fremdsprachenunterricht lässt sich die Tendenz beobachten, dass das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache gestiegen ist. Nicht nur an Schulen, sondern auch in außerschulischen Institutionen wird Deutsch als Fremdsprache vermehrt unterrichtet. Die drei Goethe-Institute in Istanbul, Ankara und Izmir sowie Sprachschulen in verschiedenen türkischen Städten bieten Deutschkurse für SHAPE \* MERGEFORMAT 9 An den Fremdsprachenzentren einiger Universtitäten wie z.B. Middle East Technical University, Boğaziçi Universität und Bilkent Universität wird Deutsch als Fremdsprache auf den Niveaustufen A1-B2 angeboten, auch wenn an diesen Universitäten die Studiengänge Germanistik und Deutschlehrerausbildung nicht existieren. 10 Es handelt sich um acht DAAD-Regellektorate an den Universitäten Akdeniz, Anadolu, Ankara, Ege, Hacettepe, Istanbul, Marmara und ODTÜ sowie zwei DAAD-Fachlektorate an den Universitäten Istanbul Bilgi und Istanbul Kültür. Hinzu kommen 18 Langzeitdozenten, 12 Lektoren und 16 Sprachassistenten an der TDU. verschiedene Altersgruppen, Sprachniveaus und Lernziele, wie z.B. Deutsch für den Beruf, an. Immer mehr Eltern legen Wert darauf, dass ihr Kind Deutsch als zweite Fremdsprache lernt und melden es mit diesem Ziel zu einem Sprachkurs an oder arrangieren Privatunterricht. Tabelle 2: Anzahl der Teilnehmer an Deutschkursen. 2016 2017 2018 Jugendliche 161 254 367 Erwachsene 2.453 3.433 3.397 Insgesamt 2.614 3.687 3.764 Tabelle 2 zeigt, wie viele Kursteilnehmer in den Sprachkursen am Goethe-Institut Ankara eingeschrieben waren11. Es wird ersichtlich, dass die Anzahl der Sprachkursteilnehmer, unterteilt in Erwachsene und Jugendliche, in den Jahren 2016-2018 deutlich angestiegen ist. Deutschlerner, die Deutschkenntnisse für den Ehegattennachzug brauchen, stellen noch immer eine große Gruppe dar. Diese Personen, deren Ehepartner in Deutschland leben, benötigen für die Erteilung des Visums und der Aufenthaltserlaubnis Sprachkenntnisse auf dem A1-Niveau des GER und müssen diese mit dem Goethe-Zertifikat Start Deutsch 1 nachweisen (vgl. Goethe-Institut Deutschprüfungen Ehegattennachzug). Die folgende Tabelle soll veranschaulichen, wie oft die Prüfung Start Deutsch 1 in den Jahren 2016-2018 am Goethe-Institut Ankara abgelegt wurde. An den Zahlen ist zu erkennen, dass die große Mehrheit der Prüfungsteilnehmer den Sprachnachweis für den Ehegattennachzug erzielt hat. Tabelle 3: Anzahl der Prüfung Start Deutsch 1. 2016 2017 2018 Ehegattennachzug 4.738 4.564 5.361 Teilnehmer 104 159 128 Insgesamt 4.842 4723 5.489 Studierende, die ein Masterstudium bzw. eine Promotion in Deutschland planen, sind daran interessiert, ihre Sprachkenntnisse mit standardisierten Sprachtests wie z.B. Goethe-Zertifikat C1 oder TestDaF nachzuweisen. Eine andere Gruppe stellen Sprachkursteilnehmer dar, die Deutsch aus beruflichen Gründen lernen, um ihre Karrierechancen zu erhöhen. In diese Gruppe können Fachkräfte, in erster SHAPE \* MERGEFORMAT 11 Die Informationen in den Tabellen 2, 3 und 4 wurden freundlicherweise vom Goethe-Institut Ankara zur Verfügung gestellt. Linie Ärzte und Ingenieure, eingeordnet werden, die in Deutschland arbeiten möchten. Nicht nur erwachsene Deutschlernende, sondern auch Jugendliche möchten ihre Sprachkenntnisse zertifizieren lassen. Insbesondere in den letzten Jahren sind immer mehr Privatschulen daran interessiert, ihre Schüler auf Zertifikatsprüfungen vorzubereiten. Dieser Trend hat mehrere Gründe; zum einen soll durch ein offizielles und international anerkanntes Zertifikat die Motivation der Schüler erhöht werden und zum anderen kann durch den Erfolg in den Zertifikatsprüfungen den Eltern die Qualität des Deutschunterrichts an der Privatschule bestätigt werden. Tabelle 4 soll aufzeigen, wie viele Kinder und Jugendliche 2016-2018 die Prüfung Fit in Deutsch 1 (A1-Niveau des GER) und Fit in Deutsch 2 (A2-Niveau des GER) am Goethe-Institut Ankara abgelegt haben. Tabelle 4: Anzahl der Jugendprüfungen. 2016 2017 2018 Fit in Deutsch 1 543 675 554 Fit in Deutsch 2 307 202 134 Insgesamt 850 877 688 5 Ausblick Etwa eine halbe Million Schüler lernen in der Türkei Deutsch (DAADBildungssystemanalyse 2017: 31), hinzu kommen Deutschlernende an Universitäten und in Sprachkursen. Dieses Potential sollte genutzt werden – nicht nur um den Deutschunterricht in der Türkei weiter zu verankern, sondern auch um die türkisch-deutschen Beziehungen in vielen Bereichen sowie den Dialog miteinander auszubauen. Aufgrund der geschichtlichen Beziehungen zum einen und durch die Zuwanderung aus der Türkei nach Deutschland hervorgerufenen engen persönlichen Verbindungen zum anderen genießt die deutsche Sprache in der Türkei eine besondere Stellung. Durch die Einführung der zweiten Pflichtfremdsprache lernen 90 % aller Schüler in der Oberstufe Deutsch als zweite Fremdsprache nach Englisch (vgl. ebd.). Obwohl Deutsch als Wahlfach bereits in der Mittelstufe einsetzen könnte, ist dies noch nicht sehr verbreitet. Die Vorverlegung der zweiten Pflichtfremdsprache in die Mittelstufe würde dazu führen, dass die Schüler schon früh Kontakt zur deutschen Sprache haben und bei Schulabschluss ein höheres Sprachniveau erreichen würden. Für die Verbreitung der deutschen Sprache im türkischen Schulsystem ist es auch von Bedeutung, dass die Qualität des Deutschunterrichts an Schulen verbessert wird. Hier spielt die Deutschlehrerausbildung eine große Rolle; die Lehramtsstudierenden sollten in stärkerem Maße gefördert werden und während des Studiums ein oder zwei Auslandssemester in Deutschland verbringen. Dadurch könnten sie ihre sprachlichen, landeskundlichen und fachlichen Kenntnisse vertiefen, was sich in ihrem späteren Berufsleben positiv auf ihren Unterricht und damit verbunden auf die Lernmotivation der Schüler auswirken würde. Die Erweiterung der Lehrerkompetenzen von Lehrerkandidaten könnte durch Hochschulkooperationen zwischen DaF-Studiengängen an türkischen und deutschen Universitäten ausgebaut werden. Nicht nur die Ausbildung von DaF-Lehrkräften, sondern auch ihre Fortbildung kann zur Qualität des Deutschunterrichts in der Türkei beitragen. Literatur Akdoğan, Feruzan (2003): Deutsch als Fremdsprache in der Türkei. Bestandsaufnahme und Prognosen. In: Info DaF 30, 46-54. Ammon, Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin u.a.: de Gruyter. Anadolu İmam Hatip Lisesi 2018/2019 Haftalık Ders Çizelgesi. (https://dogm. meb.gov.tr/meb_iys_dosyalar/2018_04/10184800_01123902_20180014_02_ AYHL_Haftalik_Ders_Cizelgesi_2018-2019.pdf [15.10.2018]) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2014: Abwanderung von Türkeistämmigen. (https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Beitragsreih e/beitrag-band-6-abwanderung-tuerkeistaemmiger.html [20.03.2019]) Çetintaş, Bengül; Genç, Ayten (2016): Fremdsprachenlernen in der Türkei im Fokus internationaler Beziehungen. In: Idil 5/26, 1671-1689. DAAD-Bildungssystemanalyse Türkei (2017). (https://www.daad.de/medien/derdaad/analysen-studien/bildungssystemanalyse/tuerkei_daad_bsa.pdf [28.10.2018]) DAAD Ländersachstand Türkei (2018). (https://www.daad.de/medien/der-daad/ analysen-studien/laendersachstand/tuerkei_daad_sachstand.pdf [30.03.2019]) Deutsche Schule Istanbul: Schulportrait. (http://www.ds-istanbul.net/de/portrait/ [20.10.2018]) Genç, Ayten (2003): Türkiye’de Geçmişten Günümüze Almanca Öğretimi. Ankara: Seçkin. Goethe-Institut Deutschprüfungen Ehegattennachzug. (https://www.goethe.de/ ins/tr/de/spr/prf/ehe.html [22.03.2019]) Goethe-Institut PASCH-Initiative. Schulen: Partner der Zukunft. (https://www. goethe.de/ins/tr/de/spr/eng/pas.html [25.03.2019]) Gündoğar, Feruzan; Sayınsoy Özünal, Birsen (2018): Frühes Deutsch in der Türkei. Bestandsaufnahme und Herausforderungen. In: Gehrmann, Siegfried; Petravic, Ana; Senjug Golub, Ana (Hrsg.): Deutsch von Anfang an. Frühes Deutschlernen als Chance. Perspektiven aus Südosteuropa. Münster/New York: Waxmann, 168-190. Mangold-Will, Sabine (2014): Deutsche in der Türkei 1933-1945. (http://www.bpb. de/internationales/europa/tuerkei/184978/deutsche-im-exil-tuerkei [28.10.2018]) Milli Egitim İstatistikleri Örgün Eğitim 2017/2018 (2018). (https://sgb.meb.gov. tr/www/icerik_goruntule.php?KNO=327 [03.11.2018]) Milli Eğitim Bakanlığı Özel Öğretim Kurumları Genel Müdürlüğü (2017) (http:// ookgm.meb.gov.tr/www/ozel-okul-sayisinda-rekor-artis/icerik/1099 [18.10.2018]) Münch, Ulrich (2014): Die Anfänge der heutigen Deutschen Schule Istanbul – Gründungsjahre der „Deutschen und Schweizer Bürgerschule“ von 1867 bis 1874. In: Böhme, Sabine; Münch, Ulrich; Pauw, Erald (Hrsg.): Daheim in Konstantinopel. Deutsche Spuren am Bosporus ab 1850. Berlin: Pagma, 127-165. Ortaylı, İlber (2011): Türkiye’nin Yakın Tarihi. Istanbul: Timaş. Polat, Tülin/Tapan, Nilüfer (2005): Deutsch als Fremdsprache in der Türkei: Aktuelle Entwicklungen. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 10. (https://tujournals.ulb.tudarmstadt.de/index.php/zif/article/view/425 [20.10.2018]) Seifert, Wolfgang (2001): Ausländische Bevölkerung. In: Schäfers, Bernhard; Zapf, Wolfgang (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen: Leske + Budrich, 53-63. Statistisches Bundesamt (2017): Ausländische Bevölkerung nach Geburtsort und ausgewählten Staatsangehörigkeiten. (https://www.destatis.de/DE/Themen/ Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/ auslaendische-bevoelkerung-geburtsort.html [10.03.2019]) Statistisches Bundesamt (2018): Rangfolge der Handeslpartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland. (https://www.destatis.de/DE/Themen/ Wirtschaft/Aussenhandel/Tabellen/rangfolge-handelspartner.pdf?__blob= publicationFile&v=5 [25.03.2019]) TDU Zentrum für Fremdsprachen. (http://www.tau.edu.tr/fremdsprachen [25.03.2019]) Tourismusministerium der Türkischen Republik (2018): Turizm Istatistikleri. Genel Değerlendirme. (http://yigm.kulturturizm.gov.tr/Eklenti/62462, 2018turizmgenelistatistiklerpdf.pdf?0 [22.03.2019]) Türkei-Jahrbuch (1998). Herausgegeben vom Zentrum für Türkeistudien. Münster: LIT. Uzuntaş, Aysel (2013): Deutsch als Fremdsprache in der Türkei – Gesellschaftspolitische, pädagogische und fachliche Perspektiven des Faches. In: Ahrenholz, Bernt; Oomen-Welke, Ingelore (Hrsg.): Deutsch als Fremdsprache. Baltsmannweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 511-517. Yükseköğretim Program Atlası 2019. (https://yokatlas.yok.gov.tr/netlertablo.php?b=10004 [25.03.2019])
URI
https://hdl.handle.net/11511/94162
Journal
„Deutsch weltweit –Grenzüberschreitende Perspektiven auf die Schnittstellen von Forschung und Vermittlung“
DOI
https://doi.org/10.17875/gup2020-1359
Collections
Department of Modern Languages, Article
Citation Formats
IEEE
ACM
APA
CHICAGO
MLA
BibTeX
G. Karbi, “Deutsch als Fremdsprache in der Türkei - eine aktuelle Bestandsaufnahme,”
„Deutsch weltweit –Grenzüberschreitende Perspektiven auf die Schnittstellen von Forschung und Vermittlung“
, vol. 104, pp. 255–267, 2020, Accessed: 00, 2021. [Online]. Available: https://hdl.handle.net/11511/94162.